Zur neuen Bleiberechtsregelung für jugendliche Ausländer
Vor zwei Monaten wurde im Deutschen Bundestag mit schwarz-gelber Mehrheit ein neues Gesetz gegen Zwangsheiraten verabschiedet (hier meinen Artikel dazu vom 17. März einsehen). Neben der Bekämpfung von Zwangsheiraten wurde in dem Gesetz endlich auch ein weiteres, nicht minder wichtiges Thema angegangen: Eine neue Bleiberechtsregelung für junge gut integrierte Ausländer! Endlich hat die Bundesregierung an dieser Stelle eingelenkt, denn warum sollten gut integrierte, hier aufgewachsene Jugendliche abgeschoben werden, nur weil sie – in der Regel aus nicht von ihnen zu vertretenden Gründen! – keinen Aufenthaltstitel haben? Der Fall von Kate Amayo aus Hamburg spricht Bände.
Mit dem neuen Gesetz sollen nun also hier aufgewachsene, gut integrierte junge Menschen zwischen 15 und 21 Jahren nicht mehr abgeschoben werden, sondern einen eigenständigen Aufenthaltstitel erhalten, der ihnen Studium, Ausbildung oder Erwerbstätigkeit ermöglicht – kurz: der sie in unsere Gesellschaft integriert. Bedingung für das Inkrafttreten dieser Regelung: ein mindestens sechsjähriger Aufenthalt in Deutschland sowie ein ebenso langer Schulbesuch oder anerkannter Schul- oder Berufsabschluss. Ob diese neue Regelung wirklich dazu beitragen wird, jungen Ausländern in Deutschland eine Perspektive zu geben? Für die derzeit in permanenter Angst vor Abschiebung lebenden 24.000 geduldeten Jugendlichen in Deutschland sowie für die 16.000 auf Asylentscheid wartenden Kinder wäre dies mehr als wünschenswert!
Wie der Fall der 20-jährigen Fatima aus Dransfeld in Niedersachsen zeigt, liegt die Verantwortung hierüber jedoch nach wie vor in der Hand oft willkürlich operierender Behörden vor Ort. Fatima ist die jüngste Tochter einer seit mittlerweile 19 Jahren in Deutschland in Kettenduldung lebenden Familie aus Algerien. Sie besuchte Kindergarten, Grund- und Realschule, Höhere Handelsschule und schließlich Fachoberschule in Göttingen. Letztere schloss sie im Sommer 2010 mit der Fachhochschulreife ab. Im Anschluss an ihr Abitur wollte Fatima Soziale Arbeit studieren, einen Wunsch, den ihr nicht die Hochschule, sondern die Ausländerbehörde in Göttingen zunichte machte. Die Behörde weigerte sich, ihr die für die Aufnahme eines Studiums notwendige Aufenthaltserlaubnis auszustellen. Als die Behörde Fatima dann jedoch auch daran hinderte, alternativ zum Studium ein Freiwilliges Soziales Jahr im evangelischen Kindergarten der Christopherusgemeinde in Göttingen zu absolvieren, mit der hinfälligen Begründung, dass sie als Geduldete keine Arbeitserlaubnis besäße (welche für ein Soziales Jahr nicht erforderlich ist!), wandte sich Fatima mit einer Petition an den Niedersächsischen Landtag. Mit der Begründung, dass die Familie keine Pässe habe, folglich also ihre Identität vertusche und illegal eingereist sei, wurde Fatimas Anfrage auf einen eigenständigen Aufenthaltstitel von Ausländerbehörde und Landtag nicht ernst genommen. Den Versuch, über die algerische Botschaft Papiere zu erhalten, hatte die Familie zuvor abgebrochen, nachdem ihr von der Ausländerbehörde mehrmals signalisiert wurde, dass sie im Falle der Vorlage ihrer Papiere mit sofortiger Abschiebung rechnen müsse!
Bestürzt über „die bürokratische Entschlossenheit“, mit der hier „das Leben einer leistungswilligen jungen Frau zerstört wird, deren einziges Vergehen es ist, keinen Pass zu besitzen“, zeigten sich auch die SPD Landtagsabgeordnete Dr. Gabriele Andretta und der Dransfelder SPD-Kreistagsabgeordnete Dirk Aue. In ihrem Versuch, die „menschenverachtende Ausländerpolitik des Landkreises“ zu stoppen, unterstützen die beiden Abgeordneten Fatima seither in ihrem Kampf um den Aufenthaltstitel.
Wir in der SPD-Bundestagsfraktion haben uns ebenfalls klar positioniert: „Schluss mit der Kettenduldung: Wer hier lebt, braucht eine Perspektive“, so heißt es in unserem Integrationskonzept vom Januar 2011 (hier nachlesen ab Seite 4). Fatima ist stellvertretend für zehntausende Jugendliche in unserem Land, die in Angst vor permanenter Abschiebung leben und von der Teilhabe an unserer Gesellschaft abgehalten werden.