SPD-Konvent beschließt Aufnahme von Koalitionsverhandlungen
Gestern hat der SPD-Parteikonvent beschlossen, dass wir in Koalitionsverhandlungen mit der CDU/CSU treten werden. Diese beginnen am Mittwoch. Einen Automatismus für eine Große Koalition ist dies nicht, denn wir werden nur zustimmen, wenn ein Koalitionsvertrag zentrale Maßnahmen für ein gerechteres Land beinhaltet – denn dafür ist die SPD vor der Bundestagswahl angetreten. Das letzte Wort über einen möglichen Koalitionsvertrag haben seitens der SPD die über 470.000 Mitglieder. Sie werden, sollte es einen erfolgreichen Abschluss der Gespräche geben, am Ende unter Einsicht des ausgehandelten Vertrages abstimmen, ob die SPD eine Koalition im 18. Deutschen Bundestag eingehen wird.
Den kompletten Beschluss des SPD-Parteikonvents vom 20. Oktober können Sie nachstehend einsehen!
Beschluss des außerordentlichen Parteikonvents der SPD: Verantwortung für mehr soziale Gerechtigkeit
Der SPD-Parteikonvent hat in seiner heutigen Sitzung folgenden Beschluss gefasst:
Die SPD will regieren für ein sozial gerechteres und ein modernes, weltoffenes und freiheitliches Deutschland, das sich seiner internationalen Verantwortung stellt.
Nachdem die Verhandlungsgruppe der SPD nach drei Sondierungsgesprächen mit den Vertreterinnen und Vertretern von CDU und CSU einvernehmlich die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit CDU und CSU empfiehlt, stimmt der SPD-Parteikonvent der Aufnahme formeller Koalitionsverhandlungen mit dem Ziel einer gemeinsamen Regierungsbildung zu.
Das Ziel dieser Koalitionsverhandlungen muss eine deutliche Verbesserung für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land sein, denn dafür macht die SPD Politik. Wir wollen Fortschritte in den Punkten erreichen, für die wir bei der Bundestagswahl angetreten sind. Grundlage für unsere Verhandlungen ist daher das Regierungsprogramm der SPD, wie es auf dem Außerordentlichen Bundesparteitag am 14. April 2013 in Augsburg beschlossen wurde. Für alle dort aufgeführten Themen werden wir in den Verhandlungen streiten.
Wir werden in der Sache hart verhandeln, damit am Ende eine handlungsfähige Regierung steht. Dafür sind auch Kompromisse nötig. Allerdings hält der SPD-Parteikonvent im Lichte der Sondierungen folgende Punkte für unverzichtbar:
1. Wir wollen, dass sich in Deutschland Arbeit wieder für alle lohnt. Wir wollen deshalb gerechte Löhne für gute Arbeit. Dazu zählt u. a. die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro pro Stunde (in Ost und West), die wirksame Bekämpfung des Missbrauchs von Leih- und Zeitarbeit und sogenannter „Werkverträge“, sowie die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen.
2. Wir wollen Altersarmut dauerhaft verhindern. Nach einem langen Arbeitsleben (45 Jahre) muss eine gute Rente ohne Abzüge stehen. Wir wollen die Absicherung erwerbsgeminderter Menschen verbessern. Wir wollen eine Angleichung der Rentensysteme in Ost- und Westdeutschland.
3. Wir wollen umfassende Verbesserungen bei der Pflege erreichen. Wir wollen die Pflegebedürftigkeit besser anerkennen, um die Situation der Pflegebedürftigen, von Angehörigen und Menschen, die in der Pflege arbeiten, zu verbessern. Wir wollen zusätzliche Anstrengungen unternehmen um Pflegebedürftigkeit zu vermeiden. Um diese Ziele zu erreichen wollen wir den Beitrag zur Pflegeversicherung anheben.
4. Die Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Bereichen wollen wir verbessern. Dazu wollen wir u.a. den Grundsatz „gleiches Geld für gleiche und gleichwertige Arbeit“ auch zwischen Frauen und Männern durchsetzen. Außerdem wollen wir durch verbindliche Regelungen für mehr Frauen in Führungspositionen sorgen. Moderne Gesellschaftspolitik muss die alten Rollenmuster überwinden und die Vereinbarkeit von familiärer Sorge und Beruf verbessern. Das unterscheidet unseren Weg von dem falschen Pfad, den die Bundesregierung mit dem Betreuungsgeld eingeschlagen hat. Wir wollen auch die Situation von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften verbessern.
5. Zum gesellschaftlichen Zusammenhalt gehört auch die gleichberechtigte Teilhabe der Zuwanderer in unserer Gesellschaft. Deutschlands Kinder sollen auch deutsche Staatsbürger bleiben, deshalb wollen wir den Optionszwang abschaffen und Mehrstaatigkeit bei der Einbürgerung ermöglichen. Und wir wollen Verbesserungen für Flüchtlinge erreichen.
6. Wir wollen die Kommunen finanziell stärken und von Kosten sozialer Leistungen nachhaltig entlasten, u.a. durch ein Bundesteilhabegesetz bei der gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Zudem wollen wir Verbesserungen beim Mieterschutz und für bezahlbare Mieten erreichen.
7. Zu einer starken Wirtschaft gehört eine starke Infrastruktur. Wir werden zusätzliche Anstrengungen unternehmen, sie zu erhalten und auszubauen. Privatisierungen halten wir dabei für den falschen Weg. Wir wollen die Energiewende zu einem ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Erfolg führen.
8. Bildung, Ausbildung und Wissenschaft sind für Deutschland im 21. Jahrhundert die wichtigsten Voraussetzungen, um Wohlstand und sozialen Zusammenhalt zu sichern. Sie sind auch entscheidend um den Fachkräftebedarf der Zukunft sicher zu stellen. Wir wollen daher unser Bildungssystem stärken und mehr Chancengleichheit erreichen. Im schulischen und vorschulischen Bereich soll das Bildungssystem so gestaltet werden, dass individuelle Förderung und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert werden. Verstärkte Investitionen in Schulen, Hochschulen und Wissenschaft sollen die Qualität von Bildung, Lehre und Forschung gleichermaßen sichern. Dazu bedarf es neuer Formen der Kooperation für Schulen und Hochschulen im Grundgesetz.
9. Finanzmärkte wollen wir wirksam regulieren. Um die Finanzmärkte an der Bewältigung öffentlicher Aufgaben und der Krisenkosten zu beteiligen, wollen wir eine Finanztransaktionssteuer einführen. Steuerbetrug wollen wir stärker bekämpfen, denn dieses Geld fehlt unserer Gesellschaft für wichtige Aufgaben. Dazu gehört auch die Beachtung unserer internationalen Verpflichtungen im Bereich Entwicklung und Klimaschutz.
10. Wir wollen Wachstum und Beschäftigung in Europa sichern und stärken. Dies wird nur gelingen, wenn alle Staaten der EU und besonders innerhalb der Eurozone eine nachhaltige Wachstumsstrategie mit einer nachhaltigen Finanzpolitik verbinden. Den Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit auf europäischer Ebene werden wir verstärken. Wir wollen die EU handlungsfähiger machen und ihre Strukturen durch Demokratisierung stärken. Wir brauchen in Deutschland und in der EU verbindliche und restriktive Regeln für den Rüstungsexport und neue Initiativen bei der Rüstungskontroll- und Abrüstungspolitik.
Ausgehend von unseren Finanzierungsvorschlägen werden wir in den Koalitionsverhandlungen auf einer verlässlichen, soliden und gerechten Finanzierung aller Projekte von Kommunen, Länder, Bund und Sozialkassen in einer künftigen Koalitionsvereinbarung bestehen, um die damit angestrebten Verbesserungen auch tatsächlich zu erreichen. Wir werden keine sozialen Kürzungen akzeptieren.
Eine starke Demokratie braucht auch eine Opposition. Die SPD will daher der Opposition im Bundestag die Wahrnehmung der Minderheitenrechte ermöglichen.
Der SPD-Parteikonvent beauftragt die noch zu bildende Verhandlungskommission auf der Basis dieser Kernforderungen die Koalitionsverhandlungen aufzunehmen.
Über die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen wird ein verbindliches Mitgliedervotum eingeholt, an dem alle Mitglieder beteiligt werden. Für dieses Votum ist eine hohe Beteiligung wichtig. Um dieses Votum ausreichend zu legitimieren, wird in einem bundeseinheitlichen Verfahren abgestimmt. Es wird jedem Mitglied die Möglichkeit gegeben per Briefwahl abzustimmen. Im Vorfeld der Abstimmung wird den Mitgliedern ausreichend Gelegenheit gegeben, den vorgelegten Koalitionsvertrag zu diskutieren, z. B. in vom PV organisierten Regionalkonferenzen.