Schwarz-gelber Fehlstart
Noch bevor die neue Bundesregierung ihre Arbeit aufgenommen hat, verschärft sich die öffentliche Kritik am Koalitionsvertrag. “Nichts ist beantwortet, alle wichtigen Fragen sind in Kommissionen verlagert worden”, fasste Frank-Walter Steinmeier zusammen.
Kurz vor Amtsantritt der schwarz-gelben Bundesregierung nimmt der Widerstand gegen die Vorhaben von Union und FDP zu. Im Zentrum der Kritik stehen insbesondere die Steuer- und die Gesundheitspolitik – sogar in den eigenen Reihen. So kündigte die designierte Ministerpräsidentin Thüringens, Christine Lieberknecht an, Steuersenkungen, die sich negativ auf den Landeshaushalt auswirken, zu verhindern. Auch der saarländische Finanzminister Peter Jacoby will Einnahmeausfälle nicht hinnehmen, und sein Ministerpräsident Peter Müller stellt fest: “Wir haben Diskussionsbedarf” – und das nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen.
“Drastische Gebührenerhöhung” erwartet
Alarm schlagen auch die Städte und Gemeinden: “Die Steuerausfälle nehmen uns die Luft zum Atmen”, klagt der Hauptgeschäftführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, der mit Einnahmeausfällen von 3,6 Milliarden Euro rechnet. “Wenn es wahr wird, dass das Mehrwertsteuerprivileg für öffentliche Unternehmen fällt, schneidet das nicht nur tief in die kommunalen Haushalte”, sagt auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Steinmeier, “sondern es wird vor allem eine drastische Gebührenerhöhung für die Einwohner in Städten und Gemeinden geben”.
Dass sich die Steuermindereinnahmen durch höheres Wirtschaftswachstum selbst gegen finanzieren, wie es Schwarz-Gelb versprechen, glaubt indes kaum jemand. Spätestens nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, vermutet der Finanzexperte im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, Stefan Bach, werde die Regierung feststellen, dass die öffentlichen Haushalte komplett aus dem Ruder laufen. “Dann wird man konkrete Pläne schmieden müssen, entweder auf der Ausgabenseite zu kürzen oder eben an anderer Stelle Steuern und Abgaben zu erhöhen.”
Öffentlichen Streit gibt es sogar zwischen den Koalitionspartnern in der Gesundheitspolitik. So hatte unter anderem Horst Seehofer wiederholt signalisiert, dass der Gesundheitsfonds eine Zukunft habe. Die FDP will das nicht.
“Alle Maßnahmen stehen unter Finanzierungsvorbehalt”
Vieles erscheint also auch nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen offen, zahlreiche Kommissionen sollen eingerichtet werden, um die nach wie vor offenen Fragen zu klären. Nach den vermeintlich positiven Botschaften von Steuersenkungen, werden die Zumutungen für die Menschen vermutlich erst nach der Landtagswahl in NRW deutlich werden. Denn die entscheidende Passage im Koalitionsvertrag, die auch der künftige Finanzminister Wolfgang Schäuble im Kopf haben dürfte, findet sich auf Seite 20: “Alle Maßnahmen des Koalitionsvertrages stehen unter Finanzierungsvorbehalt.”