Politikfrühstück „Wahlmüdigkeit: Verliert die Demokratie ihre Bürger?“
Über viele Jahre beobachten wir in Deutschland, aber auch in anderen westlichen Demokratien, dass sich immer weniger Menschen an den Bundes-, Landes-, Europa- und Kommunalwahlen beteiligen. Auch bei den Landtagswahlen im vergangenen und in diesem Jahr ist die Wahlbeteiligung noch weiter gesunken, teilweise beobachten wir absolute negative Rekord-Werte. Bei den Bürgerschaftswahlen in Hamburg im Februar dieses Jahres lag die Wahlbeteiligung bei 56,6 Prozent!
Ein Grund für mich erneut zu einem Politikfrühstück in meinem Wahlkreisbüro einzuladen, um mit Experten und interessierten Bürgerinnen und Bürgern über die Gründe zu diskutieren. Als Experten waren diesmal Barbara Duden, Vizepräsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft, und Wahlforscher Michael Jankowski von der Uni Hamburg dabei.
Nachdem sich die knapp 50 Gäste mit Kaffee und Brötchen (davon hatten wir reichlich) versorgt hatten, berichtete Barbara Duden über die nach den Bürgerschaftswahlen in 2011 vom Verfassungs- und Bezirksausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft und der Bürgerschaftskanzlei in Auftrag gegebene Evaluation des neuen Wahlrechts. Als Folge der Neugestaltung des Wahlrechts hatten die Hamburger Wähler auf vier Listen insgesamt 20 Stimmen zur Wahl der Bürgerschaft und der Bezirksversammlung zur Verfügung. Nach Meinung von Barbara Duden lagen die Hintergründe für den Rückgang der Wahlbeteiligung von 6,2 Prozent in 2011 nicht nur am neuen Wahlrecht, sondern an vielerlei Gründen. Darunter unter anderem an den „Resignierten/Verdrossenen“, die denken, eh nichts ändern zu können und deshalb nicht wählen gehen. Dann an den „Überforderten“, die das neue Wahlrecht mit den vielen Stimmzetteln und den zahlreichen Kandidaten, die man nicht alle kennt, aber wählen soll, herausfordert. Und zuletzt an den „Bequemen“, die sich denken, dass eh alles läuft und sie die Themen, die ihnen wichtig sind ggf. mit einer Volksinitiative zum Ausdruck bringen können. Duden: „Heute bin ich dankbar für jeden, der zur Wahlurne geht“.
Mein Gast von der Uni Hamburg, Michael Jankowski, der an der Evaluation beteiligt war, betrachtete das Thema von wissenschaftlicher Seite her. Demnach ist das Absinken der Wahlbeteiligung ein universelles Phänomen in westlichen Demokratien. Auffällig sei, dass die Wählerinnen und Wähler durchaus differenziert wählen. Das heißt, dass den Bundestagswahlen die größte Aufmerksamkeit geschenkt würde und dass die Wahlbeteiligung auf den ebenen Landtags- sowie Europa- und Kommunalwahlen abnehme.
Zudem sei die Wahlbeteiligung schon immer ungleich zwischen den sozialen Gruppen verteilt gewesen. Hier spiele der Bildungsfaktor eine wichtige Rolle, da Menschen mit geringerem Bildungsgrad in der Regel eine nicht so hohe politische Bildung hätten. Der Rückgang der Wahlbeteiligung verstärke diese Ungleichheit umso mehr.
Fakt sei, dass ab den 2000er Jahren die Wahlbeteiligung stärker und schneller zurückgegangen sei. „Wir beobachten eine Entfremdung von Elektorat (Wahlberechtigten) und Repräsentanten (Volksvertreter). Zudem hat die Bindungskraft der Parteien abgenommen“, sagte Jankowski.
Im Anschluss an die Vorträge gab es noch die Gelegenheit das Thema ausführlicher zu diskutieren.
Mein Fazit: Es gibt bezüglich der Wahlbeteiligung eine Spaltung in der Gesellschaft, die wir sehr ernst nehmen müssen. Die Gründe fürs Wählen-Gehen bzw. Nicht-Wählen-Gehen sind sehr komplex, aber es lohnt sich darüber zu sprechen und weiterhin für eine breite Wahrnehmung dieses politischen Grundrechts zu kämpfen.