Atomausstieg ist noch keine Energiewende
Mit der Vorlage des Energiepakets haben die Bundesregierung und die sie tragende Koalition eine Kehrtwende in der Energiepolitik vollzogen. Schwarz-Gelb kehrt mit geringfügigen Änderungen zurück zum rotgrünen Atomausstieg aus dem Jahr 2000. Wir beglückwünschen Union und FDP dazu, dass sie jetzt wieder auf dem energiepolitischen Stand von vor elf Jahren sind. Ich habe dem Gesetz zum Atomausstieg zugestimmt.
Die Bundesregierung muss sich an der damaligen Umsetzung des Ausstiegs messen lassen: Der von SPD und Grünen umgesetzte Atomausstieg war rechtssicher, verfassungsfest, frei von Entschädigungsleistungen und wurde nicht beklagt. Zudem folgte er dem überwiegenden Willen in der deutschen Bevölkerung. Allein mit einem Ausstieg aus der Atomenergie ist die Energiewende
noch lange nicht erreicht. Vielmehr wäre es jetzt notwendig, in vielen Bereichen den von SPD und Grünen eingeleiteten Umbau unseres Energiesystems hin zu einem sicheren, bezahlbaren und nachhaltigen Energiedienstleistungssystem fortzusetzen. Doch mit der heutigen Verabschiedung des Gesetzespakets haben die Regierungsfraktionen den entgegengesetzten und damit falschen Weg eingeschlagen. Darum habe ich hier mein Veto eingelegt und wie meine Kolleginnen und Kollegen der SPD-Bundestagsfraktion die unausgegorenen Gesetzentwürfe von Schwarz-Gelb abgelehnt.
Schwarz-Gelb hat bewusst darauf verzichtet, in einem breiten Konsens fraktionsübergreifend die Eckpunkte für den Schlüsselsektor Energie festzulegen. Ein politischer und gesellschaftlicher Energiekonsenses wurde damit verhindert. Dabei wäre ein solcher Konsens ein wichtiger Schritt, die Akzeptanz bei den Menschen für wichtige Infrastrukturprojekte wie Stromnetze, Speicher oder Erneuerbare-Energien-Anlagen zu erhöhen. Hierdurch besteht die Gefahr, dass die mit dem Netzausbaubeschleunigungsgesetz angestrebte Beschleunigung des Stromnetzausbaus verfehlt wird.
Die von der FDP im Wirtschaftsausschuss vertretene Auffassung, dass die SPD den Gesetzen nur zuzustimmen brauche und schon sei doch ein Konsens erreicht, zeigt klar, dass die Regierungsfraktionen entgegen öffentlicher Erklärungen nie an einer parteiübergreifenden Einigung interessiert waren. Die heute beschlossenen Novellen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) und des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) behindern den Ausbau der Erneuerbaren Energien und schaden dem Industriestandort Deutschland. Die mit dem EEG beschlossene Einführung der sogenannten Marktprämie wird das EEG für die Verbraucher teurer machen ohne die dringend nötige Entwicklung von Speichern und Verbundanlagen zur Verstetigung der Einspeisung anzureizen. Dies und die Kürzung des Grünstromprivilegs behindern die notwendige Markt- und Systemintegration der Erneuerbaren Energien. Diese Einschätzung wurde auch von den Experten bei der Anhörung zum EEG im Deutschen Bundestag geteilt. Das schwarz-gelbe EEG: weniger Kilowattstunden für mehr Geld.
Im EnWG hätten CDU/CSU und FDP die Chance gehabt, eine seit Jahren diskutierte angemessene Vergütung der von den stromintensiven bereitgestellten zu- und abschaltbaren Lasten festzuschreiben. Denn im Zuge des Ausbaus der häufig fluktuierenden Erneuerbaren Energien gewinnt die Bedeutung der zu- und abschaltbaren Lasten für die Netzstabilität eine wachsende Bedeutung. Doch wieder einmal lassen die selbsterklärten schwarz-gelben Wirtschaftsfreunde die Unternehmen im Stich.
Bei der energetischen Sanierung im Wohnungsbau bleibt die Bundesregierung hinter den Erfolgen der letzten Legislaturperiode zurück. Die vorgesehenen Instrumente sind unzureichend konzipiert, unterfinanziert und sozial unausgewogen. Sie verschrecken die Mieter und lassen die Vermieter und Investoren ohne klare Signale. Es zeigt sich, dass die von der Bundesregierung anlässlich der Atom-
Katastrophe in Japan in panischer Eile zusammengewerkelten Gesetzesnovellen den notwendigen Umbau unseres Energiesystems behindern. Diese Eile ist auch dem Wunsch der Regierung geschuldet, das
Thema Energie aus der öffentlichen Diskussion zu nehmen. Doch das wird ihr schon deshalb nicht gelingen, weil sich schnell zeigen wird, dass die für den Systemumbau notwendigen Investitionen in erneuerbare und konventionelle Kraftwerkskapazitäten sowie Netze auf sich warten lassen und die Systemstabilität auf der Strecke bleibt.