Fachkräftemangel – Bundesregierung mutlos
Heute kommt das Bundeskabinett auf Schloss Meseberg mit Arbeitgebern und Gewerkschaften zusammen, um über den Fachkräftemangel zu sprechen. Das ist eigentlich ein richtiger und wichtiger Schritt, denn die demographischen Fakten sind bitter: In den nächsten 15 Jahren werden unserem Land 6,5 Millionen Fachkräfte fehlen.
Leider ist der Regierung mal wieder nicht der große Wurf gelungen. In ihrem wortreichen Papier zur Fachkräftesicherung nennt die Bundesregierung neben vielen Allgemeinplätzen und hübschen Grafiken lediglich einen einzigen konkreten Punkt: Die sog. Vorrangprüfung für Fachkräfte außerhalb der EU soll für Ärzte und Ingenieure gestrichen werden. Das ist äußerst dürftig. Denn: Schon heute ist die Vorrangprüfung keine große Hürde mehr für qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland. Warum? Weil wir nicht erst seit 2011 große Schwierigkeiten haben, eben diese Fachkräfte zu finden. Es ist also leider nicht viel mehr als Augenwischerei, die Bundesregierung handelt halbherzig und kraftlos.
Auf den restlichen Seiten des Papiers zur Fachkräftesicherung (hier einsehen) schmückt sich die Regierung mit fremden Federn: Der Ausbau der Ganztagesschulen und der Kinderbetreuung sei schon sehr weit vorangekommen und wichtig für die Erwerbsbeteiligung von Frauen und Alleinerziehenden. Außerdem gebe es mittlerweile einen Rechtsanspruch auf Nachholen des Hauptschulabschlusses. All’ das wurde von der SPD entwickelt und gegen teils massive Widerstände der CDU/CSU eingeführt!
Die SPD dringt seit Langem darauf, gegen den Fachkräftemangel mutiger anzugehen und mehr qualifizierte Zuwanderung für unser Land zu ermöglichen und auch dafür zu werben. Wir stehen schließlich in großer Konkurrenz zu allen Industriestaaten dieser Welt. Die Kanzlerin hat dagegen aus lauter Angst vor ihrer eigenen Partei nichts gegen den Fachkräftemangel getan und stattdessen nichtssagende Sätze wie „Multi-Kulti ist gescheitert“ ihrer Partei und den Stammtischen zugerufen. Solche Aussagen steigern sicherlich nicht die Attraktivität unseres Landes bei Fachkräften aus Drittstaaten. Längst ist klar: Die qualifizierten Fachkräfte stehen nicht Schlange, um nach Deutschland einzuwandern. Das hat auch der 1. Mai 2011 bewiesen.
Die Zukunft unseres Landes, unserer Gesellschaft und unseres Sozialsystems muss vor dem Hintergrund des Demographischen Wandels auch mit dem Zuzug qualifizierter Fachkräfte gesichert werden. Dafür muss die Bundesregierung bei der Bevölkerung werben und Vorbehalte abbauen, anstatt sich auf offener Bühne zu streiten.
Entscheidend sind doch die Zahlen, die uns zeigen, dass heute drei Erwerbstätige eine Rente erarbeiten, alsbald nur noch zwei und bis 2050 1,5 Erwerbstätige eine Rente stemmen müssen. Dass die Jugendlichen hierzulande besser ausgebildet werden müssen, ist eine Selbstverständlichkeit. Wenn Unionspolitiker dies nun als bremsendes Argument gegen Fachkräftezuzug benutzen, zeigt das die Verlogenheit und den Populismus, mit denen seit vielen Jahren argumentiert wird. Es ist doch längst klar, dass wir beides brauchen. Und dass die Unternehmen sich stärker als bisher einklinken müssen in die Ausbildung der jungen Menschen. Die Legende des Gegensatzes von qualifizierter Fachkräftezuwanderung und der Qualifizierung junger Menschen muss endlich begraben werden.
Vollkommen kontraproduktiv gegen den Fachkräftemangel ist im Übrigen die Politik der Bundesregierung, die Mittel der Bundesagentur für Arbeit für die Arbeitsmarktprogramme und -eingliederung um mehrere Milliarden Euro pro Jahr zu streichen. Das passt nun überhaupt nicht, um gegen den Fachkräftemangel anzugehen!