Der Zerfall der Bundesregierung geht weiter
In den letzten Tagen und Wochen ging er gnadenlos weiter, der Niedergang und Zerfall der schwarz-gelben Koalition. Nach den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen und Hamburg hat die CDU auch in ihrem Kernland Baden-Württemberg die Regierungsmehrheit verloren. Koalitionen aus SPD und Grünen werden Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz regieren. Die lange Serie von Wahlniederlagen der Merkel-CDU setzt sich fort. Genauso – wenn nicht noch schlimmer – sieht es bei der FDP aus: Die Partei scheitert in Rheinland-Pfalz an der 5-Prozent-Hürde und wird als Splitterpartei außerparlamentarische Opposition. Wirtschaftsminister Brüderle hat in Rheinland-Pfalz den Vorsitz abgeben müssen. Die FDP in BaWü halbiert unter der Landesvorsitzenden und Vorsitzenden der FDP-Bundestagsfraktion Homburger das Ergebnis und kann nur mit Müh und Not noch in den Landtag einziehen.
Parteichef Guido Westerwelle ist nach diesem politischen Erdrutsch zurückgetreten. Innerparteilich handlungsunfähig kann er auch nicht mehr Vizekanzler bleiben. Für die FDP geht damit eine lange Ära marktradikaler Profilverengung zu Ende. Was jetzt folgt, kann keiner sagen. Ob die Partei die Kraft findet, sich für soziale Fragen zu öffnen, ist völlig offen. Klar ist bislang nur, dass ein innerparteilicher Kampf aller gegen alle ausgebrochen ist und dass die Zeit nach Westerwelle personell wie programmatisch das ungebremste Chaos bringt.
Der Zerfall der Bundesregierung geht also weiter: Merkel und Westerwelle galten als Achse von Schwarz-Gelb. Sie ist gebrochen. Westerwelles Rücktritt löst nicht die Dauerkrise der schwarz-gelben Koalition, sondern beschleunigt den Bankrott der Regierung Merkel. Seit 2010 ist Schwarz-Gelb als politisches Projekt erledigt. Das steuerpolitische Versagen, der Bruch des Wahlversprechens von „mehr Netto“, stattdessen schamlose Klientelpolitik, die den Staat zur Beute der Besserverdiener macht, die Unfähigkeit, die Euro-Krise zu lösen, die Unfähigkeit, überhaupt nur eine politische Linie für Europa zu finden haben das Ansehen der Regierung selbst bei Konservativen irreparabel zertrümmert. An dem allgemeinen Befund, dass Schwarz-Gelb keine Zukunft hat, konnte auch der so genannte „Herbst der Entscheidungen“ nichts ändern. Letzten Endes wird er als Herbst von Merkels Kanzlerschaft in Erinnerung bleiben. Denn das zentrale Vorhaben einer Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke, mit dem Merkel Handlungsfähigkeit demonstrieren wollte, hat lediglich einen mit dem Atomausstieg schon beigelegten gesellschaftlichen Großkonflikt neu aufgerissen.
Heute ist auch die Energiepolitik Merkels Makulatur. Nach der Katastrophe von Fukushima steht sie auch hier vor einem Scherbenhaufen, den sie mit hilflosen Versuchen zu kitten versucht, den gerade erst großspurig aufgekündigten Konsens kleinlaut wieder zusammen zu flicken. Zuerst hat die Regierung Merkel das Vertrauen der Menschen verspielt. Jetzt gehen der Merkel-CDU die Mehrheiten in den Ländern und der Koalitionspartner verloren. Das Ende wird der Machtverlust im Bund sein. Endzeitstimmung in Berlin.