Zwangsheirat – Debatte im Bundestag
Heute debattierte der Deutsche Bundestag über den Themenkomplex Zwangsheirat, insbesondere über ein eigenständiges Rückkehrrecht für Opfer von Zwangsheiraten zurück nach Deutschland. Ein entsprechendes Rückkehrrecht fordern wir aus der SPD-Bundestagsfraktion in unseren Gesetzesentwurf (hier den SPD-Gesetzentwurf einsehen!). In meiner Rede im Bundestag machte ich heute deutlich, dass der in die ähnliche Richtung gehende Entwurf der schwarz-gelben Bundesregierung erst einmal positiv stimmte. Denn: Endlich hat die Bundesregierung eingesehen, dass es ein eigenständiges Rückkehrrecht für Opfer von Zwangsheiraten in unser Land geben muss. Jahrelang hatten wir als SPD-Fraktion darauf gedrängt und deshalb ist die Bewegung der Bundesregierung an dieser Stelle erst einmal begrüßenswert.
Dummerweise hat die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf geradezu zwanghaft auch wieder einen Schritt zurück gemacht: Der Themenkomplex zum Schutz vor Zwangsheirat wurde direkt mit dem Argument „Scheinehe“ in Verbindung gebracht. So soll die erforderliche Ehebestandszeit für ein eigenständiges Aufenthaltsrecht der Ehegatten von zwei auf drei Jahre erhöhen werden. Zur Begründung lautete es im Gesetzentwurf der Bundesregierung reichlich schwammig, dass „die Wahrnehmungen aus der ausländerbehördlichen Praxis darauf hindeuten würden“ mit 3 Jahren Ehebestandszeit den „Anreiz für Scheinehen“ zu senken. Belastbare Zahlen über Scheinehe-Verdachtsfälle könne man aber nicht nennen, so auch das Bundesinnenministerium an diesem Montag auf Anfrage der Frankfurter Rundschau. Und Innenminister de Maizière sagte zur geplanten Änderung der Ehebestandszeit am 27. Oktober 2010 im Bundestag: „Ich finde drei Jahre besser als zwei, und drei Jahre sind ein Kompromiss zwischen zwei und vier Jahren.“ Absurder geht es doch nicht, demnächst würfeln wir die Zahlen einfach aus!
Frauen- und Opferverbände sind wie die SPD-Fraktion gegen die Erhöhung, denn dies würde bedeuten, dass ein Opfer von Zwangsheirat im Gefängnis „Zwangsehe“ nunmehr 3 statt 2 Jahre ausharren müsste (hier der Appell der Frauen- und Opferverbände). Erst dann könnte das Opfer aus der Zwangsehe fliehen und einen eigenen Aufenthaltstitel bekommen. Der stets dagegen gebrachte Einwand, dass in Fällen besonderer Härte nach § 31 Absatz 2 Aufenthaltsgesetz Ausnahmen von der Mindestbestandszeit (z.B. bei häuslicher Gewalt) gemacht werden können, zielt leider allzu oft ins Leere: So haben die Frauen- und Opferschutzverbände wie Terre des Femmes in dieser Woche in ihrem Appell an die Bundesregierung darauf hingewiesen, dass es nur äußerst wenigen Opfern von Zwangsheirat in der Praxis gelinge, die Beweislast vor Gericht mit Nachweisen wie Fotos oder Zeugenaussagen zu erbringen. Außerdem werde den Betroffenen von den Ausländerbehörden und den Gerichten häufig nicht geglaubt. In vielen Fällen bleibt den Frauen dann nur das Ausharren in der Zwangssituation, und zwar nunmehr 3 statt 2 Jahre, sollte die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf nicht mehr ändern.
Wir fordern die Koalitionsfraktionen auf, in der nun anstehenden parlamentarischen Beratungen die Ehebestandszeit bei 2 Jahren zu belassen. Andernfalls macht die schwarz-gelbe Koalition mit ihrem Gesetzentwurf wieder mehr kaputt, als dort an guten Dingen drin steht. In diesem Sinne hoffe ich, dass nach der heutigen ersten Lesung in den Ausschüssen noch einiges überarbeitet werden kann, und CDU/CSU und FDP die Hinweise und Änderungen der Frauen- und Opferverbände, der SPD-Bundestagsfraktion und auch des Bundesrates berücksichtigen werden. Denn dann ist das eigenständige Rückkehrrecht für die Opfer von Zwangsehen ein wirklich umfassender Fortschritt!