Gnadenlos ahnungslos – Seehofer und die Zuwanderung
Entweder komplett ahnungslos, oder kalkuliert die (bayerischen) Stammtische anvisiert: Anders kann man Horst Seehofers Aussagen über Zuwanderung nicht auslegen. Im Interview mit dem Focus hatte Seehofer gesagt, es sei „klar, dass sich Zuwanderer aus anderen Kulturkreisen wie aus der Türkei und arabischen Ländern insgesamt schwerer tun“. Daraus ziehe er den Schluss, dass Deutschland „keine zusätzliche Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen“ brauche. Harter Tobak! Diese krasse Äußerung macht auch seine nachträgliche „Klarstellung“, er habe lediglich den Zuzug qualifizierter Fachkräfte gemeint, nicht besser. Mit seinen Aussagen hat Seehofer auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung (wo die CSU bekanntlich mit am Kabinettstisch sitzt!) brüskiert. Dabei hatte die Integrationsbeauftragte Maria Böhmer (CDU) noch in der letzten Sitzungswoche die angeblich so tolle Integrationspolitik von Schwarz-Gelb gepriesen.
Ein Blick auf die tatsächlichen Daten und Fakten auf die Zuwanderung aus den Staaten, die Seehofer in seinen Radar genommen hat, zeigt, wie wenig seine Aussagen zur Realität passen.
Laut Statistischem Bundesamt sind im vergangenen Jahr 734.000 aus Deutschland fortgezogen, 721.000 Menschen kamen zu uns. Macht unter dem Strich einen negativen Wanderungssaldo von 13.000. Und Achtung, Herr Seehofer: Aus der Türkei kamen 30.000, hingegen gingen 40.000. Bezüglich der Türkei ist Deutschland ein Auswanderungsland!
Und wie sieht es mit den „arabischen Ländern“ aus, die Seehofer zu den anderen Kulturkreisen zählt, aus denen es keine zusätzliche Zuwanderung brauche? Ein Blick in den Wanderungssaldo des Mikrozensus 2008 vom Statistischen Bundesamt (vom 16.04.2010) bringt Klarheit. Die Zahlen zeigen: Eine massenhafte Zuwanderung sieht anders aus! Die zusätzlich in unser Land eingewanderten Menschen aus dieser Region würden alle zusammen bequem in die Fankurve des FC Bayern München passen.
Bundeskanzlerin Merkel muss sich fragen, wie die Äußerungen von Horst Seehofer zur ach so fortschrittlichen Union passen. Gnadenlos ahnungslos oder Mobilmachung an den Stammtischen. Beide Interpretationen von Seehofers Äußerungen sind bitter. Der Flurschaden, den sein Interview angerichtet hat, wirkt sich auf die alltägliche Arbeit in der Integrationsarbeit in unserer Gesellschaft aus. Mehr willkommen und zu unserem Land gehörig werden sich Migranten aus der Türkei oder den arabischen Staaten wohl kaum fühlen. Oder wie würden Sie reagieren, wenn Ihnen vorgeworfen wird, dass Sie eigentlich unerwünscht sind?