Neue Netzpolitik – Bundesinnenminister ohne großen Wurf
Groß war sie angekündigt, die “Berliner Rede” des Bundesinnenministers de Maizière (CDU) zu den Perspektiven einer neuen Netzpolitik. An den meisten Stellen blieben die Ziele der Bundesregierung jedoch nebulös. Trotz durchaus guter Ansätze fiel de Maizière in zentralen Fragen wieder in überholte Denkmuster zurück.
Im Einzelnen: Zunächst ist es zu begrüßen, dass der Bundesinnenminister nach der verheerenden Debatte um die Einführung von Netzsperren (Stichwort „Zensursula“) das Gespräch mit Netzaktivisten und Experten gesucht hat. Auch wenn dieser Beteiligungsprozess sicher nicht optimal funktioniert hat, sollte er der Politik insgesamt Mut machen, die Bürger stärker online zu beteiligen.
Diesen offenen Ansatz verfolgt die SPD-Bundestagsfraktion auch in der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ des Deutschen Bundestages.
Und so überrascht es auch nicht, dass sich in der Berliner Rede die allgemeinen grundsätzlichen Prinzipien “für die Gestaltung und Weiterentwicklung der Ordnung im Netz” offen zeigen für die Möglichkeiten und Chancen des Netzes. Hier hat der Minister viele richtige Dinge angesprochen: Vorrang des bestehenden Rechts vor neuem, Stärkung der Selbstregulierung vor Rechtsetzung sowie Notwendigkeit einer stärkeren internationalen Zusammenarbeit anstelle einer rein nationalstaatlichen Perspektive.
Dabei begrüßt die SPD-Bundestagsfraktion, dass der Bundesinnenminister den Bestand des Netzes und den Zugang zum Netz endlich auch als Teil der Daseinsvorsorge begreift. Die von der CDU/CSU immer wieder angeführte Beschreibung vom “freiheitlichsten Kommunikationsforum der Welt” darf allerdings nicht nur ein Lippenbekenntnis bleiben. Staatliche Daseinsvorsorge betrifft auch und vor allem den Schutz von Grund- und Bürgerrechten.
Positiv hervorzuheben ist das Bekenntnis zur Netzneutralität, zu offenen Standards und zur Verfügungsgewalt über die eigenen Daten. Auch die Tatsache, dass er unter der Überschrift “digitaler Radiergummi” Überlegungen zum Konzept des digitalen Vergessens aufgreift, sind positiv zu bewerten, ebenso wie die seitens der Datenschutzbeauftragten immer wieder erhobene Forderung, die Potenziale “Datenschutz durch Technik” und “Privacy by Design” zu nutzen.
Aber: Antworten, was konkret von diesen wichtigen Punkten Eingang in die zukünftige Netzpolitik der Bundesregierung finden wird, sucht man vergebens. Der alleinige Hinweis auf die Selbstverantwortung in Verbindung mit IT-Sicherheitsverpflichtungen und Transparenz-Anforderungen reicht wohl kaum aus, um das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, Netzneutralität oder die Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit durchzusetzen.
Wir SPD-Mitglieder der Enquete-Kommission – Lars Klingbeil, Martin Dörmann, Johannes Kahrs und ich – finden es bedauerlich, dass der Innenminister immer dort, wo es konkret wird, in alte Muster verfällt. Für uns wird leider immer deutlicher: Es gibt keine Abkehr der Bundesregierung von der Vorratsdatenspeicherung oder den Netzsperren. Es fehlt ein klares Bekenntnis zu einer stärkeren Offenheit des Staates, beispielsweise durch eine grundlegende Open-Data-Strategie.
Es ist also noch viel zu tun in der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“! Die SPD-Bundestagsfraktion wird beharrlich weiter daran arbeiten, dass „Neue Netzpolitik“ zum Nutzen aller User auch tatsächlich umgesetzt wird.
Hier kommen Sie direkt zur Homepage der Enquete-Kommission “Internet und digitale Gesellschaft” mit aktuellen Infos und Arbeitsprozessen.