Spätrömische Dekadenz, oder: Guido macht die Westerwelle

Spätrömische Dekadenz, oder: Guido macht die Westerwelle

Fassungslos verfolgt die Republik, wie sich der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle immer weiter in seiner Kritik am Sozialstaat versteigt.

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Regelsätzen des Arbeitslosengeldes II („Hartz IV“ – siehe auch meinen Artikel vom 11.02.2010) legte sich Westerwelle mächtig ins Zeug: Die Diskussion über das Urteil trage sozialistische Züge, wer anstrengungslosen Wohlstand verspreche, lade zu spätrömischer Dekadenz ein.
Sieht so die geistig-politische Wende aus, die Westerwelle auf dem Dreikönigstreffen der FDP am 6. Januar 2010 als zentrales, schwarz-gelbes Projekt verkündete?

Wir erinnern uns: Das Bundesverfassungsgericht urteilte am 9. Februar, dass die Regelsätze des ALG II verfassungswidrig seien, insbesondere die pauschalen Regelsatz-Kürzungen für Kinder verstießen gegen das Grundgesetz. Kinder erhalten bisher je nach Alter 60 bis 80 Prozent des Regelsatzes für Erwachsene (also zwischen 215 und 287 Euro im Monat). Dies reiche oftmals nicht für eine angemessene Versorgung der Kinder – insbesondere werden Bildungsausgaben kaum berücksichtigt.
Wer hier – ebenso wie beim Regelsatz für Erwachsene von 359 Euro – von anstrengungslosem Wohlstand spricht, verhöhnt die 4,9 Millionen Bezieher von ALG II („Hartz IV“).

Umso erfreulicher, dass Westerwelles rhetorische Brandstiftung (ganz im Sinne des spätrömischen Kaisers Nero (37-68 n.Chr.), der angeblich eine Mitschuld am Großbrand Roms im Jahre 64 n.Chr. trägt) auf breite Kritik stoßen. Selbst Vertreter des schwarz-gelben Lagers gehen auf Distanz zur FDP-Politiker:

Christine Haderthauer (CSU), Sozialministerin in Bayern: „Wer keine konstruktiven Ideen hat, macht eben Getöse. Ich habe von der FDP bisher nichts zu dem Thema gehört, was uns weiterbringt.“ (in: Leipziger Volkszeitung, 16.02.2010)

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe: „Fragwürdige Verallgemeinerungen und scharfe Töne erschweren die nötige Debatte über die Hartz-IV-Sätze. Dies ist nicht die Tonlage einer Volkspartei.“ (in: Süddeutsche Zeitung, 16.02.2010)

Naturgemäß fiel es auch unserem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel nicht schwer, die Steilvorlage Westerwelles zu nutzen: Der FDP-Chef sei ein sozialpolitischer Brandstifter, der den sozialen Frieden der Bundesrepublik gefährde und nur von den eigentlichen Sozialbetrügern, die in der Schweiz ihre Millionen vor dem Fiskus verstecken, ablenken.

Es ist höchste Zeit, dass Westerwelle die Rolle rückwärts antritt und sich für seine verheerenden Äußerungen entschuldigt!

Bildquelle: imperiumromanum.com